Mittelalterliches „Augsburger Tympanon“ als moderner 3D-Druck

Dienen in größter Demut

AUGSBURG – Zu einer kleinen kulturhistorischen und theologischen „Entdeckungsreise“ lud Professor Gerda Riedl, Leiterin der Hauptabteilung Glaube und Lehre im Bistum Augsburg, am Aschermittwoch der Künstler ein. Sie stellte den Gästen einen Torbogen vor, der um das Jahr 1200 geschaffen wurde. Er schmückte vermutlich einst ein Portal im nicht mehr bestehenden Kloster St. Ulrich und Afra in Augsburg. 

Das Original-Relief wird in der Dauerausstellung des Augsburger Maximilianmuseums präsentiert. Zum Vortrag im Haus St. Ulrich hatte Gerda Riedl eine Replik mitgebracht. „Es ist ein Kunstwerk das man anfassen darf, weil es nicht das Original ist, sondern ein 3D-Druck“, sagte sie und ermunterte die Besucher, den Türsturz zu berühren. Hergestellt wurde die dreidimensionale Kopie von der Friedberger Firma Voxeljet. 

Martin Haugg, Mitarbeiter bei Voxeljet, ermöglichte einen Einblick in die Werkstatt des Unternehmens und erläuterte das Herstellungsverfahren im 3D-Druck: Das Objekt wird mit Hilfe von Lichtreflektoren und Kameras vermessen. Die Daten werden digital erfasst und direkt an die Druckmaschine übermittelt. Deren Druckkopf fährt über das sogenannte „Baubett“ und sprüht das Modell Schicht für Schicht aus Sand sowie Kunstharz, das das lose Material verhärtet. 

Die Replik des mittelalterlichen Tympanons wurde anschließend lackiert, um den Farbton des Originals wiederzugeben. „Es gibt keinerlei Grenzen, man kann alles, was vorstellbar ist, produzieren“, betonte Haugg. Außer Sand können viele weitere Materialien, etwa Kunststoff oder Keramik, verwendet werden.

Das originale „Augsburger Tympanon“ besteht aus Molassesandstein, der „möglicherweise aus einem Steinbruch aus Steingaden stammt“, erklärte Gerda Riedl. Das Relief zeigt, wie Jesus dem Apostel Petrus die Füße wäscht. Rechts steht eine Frau, die in der Inschrift als personifizierte „Humilitas“ (Demut) ausgewiesen ist.

„Beati mites“ (Selig die Sanftmütigen), steht auf dem Banner über dem Haupt Christi. „An den Füßen der Sklaven hängt der Herr der Herren“, besagt die lateinische Umschrift, und: „So demütig ist Gott, dass der wertlose Wicht von Mensch sich zuweilen aufbläht vor Hochmut.“

„Die Fußwaschung spielte im Orient eine zentrale Rolle, weil man sich nur mit gewaschenen Füßen zu Tisch legte“, sagte Gerda Riedl. Der Dienst galt als derart niedrig, dass nicht einmal jüdische Schuldsklaven dazu verpflichtet werden konnten. Die Szene sei also ein ultimatives Beispiel der Selbsterniedrigung Jesu. „Dass Gott so demütig ist, ist ein Anspruch, den er auch an uns richtet.“ 

Das Augsburger Supraporte sei ein außergewöhnliches Stück, weil die Fußwaschungs-Szene von vergleichbaren Darstellungen in der Zeit um 1200 gänzlich abweiche, führte Gerda Riedl aus: Ungewöhnlich ist, dass die personifizierte Demut mittelalterliche Kleidung trägt. Die weiten Ärmel ihres höfischen Gewandes reichen bis zu den Knien. Einzigartig ist auch die gänzliche Abwesenheit weiterer Apostel neben Petrus. Zudem überrascht, dass das Latein der Inschriften nicht das im Mittelalter übliche „Kirchenlatein“ ist, sondern das klassische Latein der Antike. Nicht zuletzt ist die Komposition aus Motto (Selig die Sanftmütigen), bildlicher Darstellung und erläuternder Umschrift beispiellos für die Entstehungszeit des Kunstwerks. Erst rund 300 Jahre später wurden solche Embleme gebräuchlich.

Eine solche Verbindung von Wort und Bild sowie die reduzierte Darstellung auf dem Augsburger Tympanon fördere die meditative Versenkung und spirituelle Erbauung, erläuterte Gerda Riedl. Das Relief sei deshalb möglicherweise eine Reaktion auf die Individualisierung des spirituellen Lebens, die um 1200 neu eingesetzt habe.

Bischof Bertram Meier dankte für die Präsentation des Reliefs und bemerkte über dessen Symbolgehalt: „Dieses Tympanon ist eine Steilvorlage für das, was Kirche heute sein soll: Dienerin für Mensch und Gott.“

Barbara Lang